Im Jahr 1914 holte die SpVgg Fürth den ersten ihrer drei Meistertitel. Der Modus seinerzeit hatte wenig mit der heutigen Ligenstruktur zu tun. Es war die Zeit, als man sich noch zunächst in regionalen Vergleichen durchsetzen musste um sich anschließend für die nächsthöhere Runde zu qualifizieren.
Das Vorspiel
Der Weg zur nationalen Meisterschaft begann somit für die damals noch junge Spielvereinigung im Jahre 1913 in der lokalen Ostkreis-Liga, in welcher man in einer Achterstaffel unter anderem gegen Konkurrenten wie Bayern München, den Würzburger Kickers und den alten Rivalen 1. FC Nürnberg antrat. Trainer seinerzeit war der William Townley, welcher sich 1911 der SpVgg Fürth anschloss, um die Spielkultur im Frankenland zu etablieren.
Mit namhaften Spielern wie Georg Wellhöfer, Georg Wunderlich, Hans Schmidt und Julius Hirsch kam es am 14. September 1913 zum ersten Meisterschaftsspiel gegen Wacker München. Fürth gewann 10:1 und setzte damit das erste Ausrufezeichen. Fürth ging auch aus den nächsten Partien als Sieger hervor und musste sich erst am 6. Spieltag erstmals geschlagen geben. Gegner damals war ausgerechnet der 1. FC Nürnberg, welcher im 30. Frankenderby Fürth mit 5:2 zurück über die Stadtgrenze schickte. Die zweite Niederlage am 10. Spieltag auswärts bei Bayern München, man verlor mit 1:2 aus Fürther Sicht, war der zweite Ausrutscher. Ansonsten aber blieb die Mannschaft ungeschlagen und auch die Schmach aus dem verlorenen Derby konnte am 12. Spieltag mit einem 4:3-Erfolg wieder wett gemacht werden.
Sportlich lief es rund. Weniger erfreulich war jedoch die Tatsache, dass Ende 1913 Trainer William Townley vom Ligakonkurrenten Bayern München abgeworben wurde. Für ihn sprang der damalige Nationalspieler Karl Burger als Spielertrainer ein, der diese Rolle in Fürth bereits vor der Zeit von William Townley ausgeführt hatte und damit bereits Erfahrungen als Übungsleiter hatte.
Am Ende brachte die Verpflichtung des neuen Trainers den Bayern nichts und in Fürth hielt der Erfolg auch unter der Regie von Karl Burger an. Das Nachholspiel des 7. Spieltages zwischen beiden Mannschaften -das ursprünglich für Oktober 1913 angesetzte Spiel wurde aufgrund Länderspielabstellungen nur als Testspiel ausgetragen- endete unter Townley’s Leitung im Januar 1914 nur torlos und auch in der Abschlusstabelle der Ostkreis-Liga belegte München nur den 5. Platz. Fürth stand am Ende auf Platz 1 und qualifizierte sich damit für die Süddeutsche Meisterschaft.
Die Süddeutsche Meisterschaft
Das Rennen um die Regionalmeistertschaft startete im Februar 1914. Fürth trat hierbei jeweils in Hin- und Rückspielen gegen die anderen Kreismeister aus dem Süden, also dem Frankfurter FV, VfR Mannheim sowie die Stuttgarter Kickers, an.
Zum Auftakt verlor man zwar gegen die Hessen, die fünf darauffolgenden Spiele aber konnte die Spielvereinigung für sich entscheiden. Am Ende stand im März 1914 der Gewinn der Süddeutschen Meisterschaft, was damals ein durchaus begehrter Titel war, sowie die damit verbundene Qualifikation zur Endrunde um die Deutsche Meisterschaft zu Buche.
Die Rückkehr Townleys
Man spielte nun also um den ganz großen Titel und holte eigens für dieses Unterfangen William Townley auf Leihbasis von Bayern München zurück in die Kleeblattstadt.
Für Townley war die Teilnahme an der Endrunde nichts Neues. Bereits 1910, vor seinem ersten Engagement in Fürth, gewann der Engländer mit dem Karlsruher FV den Titel. Auch der Fürther Internationale Julius Hirsch stand seinerzeit unter Townley für den KFV auf dem Feld und wusste, wie man den Titelgewinn angehen muss.
Zur Vorbereitung auf die Endrunde trug man im April 1914 mehrere Testspiele aus, darunter auch eine Partie gegen den erwähnten Altmeister Karlsruher FV, gegen den man allerdings mit 0:1 verlor.
Die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft
Die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft startete nun im Mai 1914 und wurde im K.O.-Modus ausgetragen. Qualifiziert waren neben der SpVgg Fürth als Titelträger des Süddeutschen Fußball-Verbandes auch die anderen Meister der Regionalverbände, bestehend aus dem SV Prussia-Samland Königsberg (Baltischer Rasensport-Verband), dem FC Askania Forst (Südostdeutscher Fußball-Verband), dem Berliner BC (Verband Brandenburgischer Ballspielvereine), der SpVgg Leipzig-Lindenau (Verband Mitteldeutscher Ballspiel-Vereine), dem Altonaer FC 93 (Norddeutscher Fußball-Verband) sowie der Duisburger SpV (Westdeutscher Spielverband). Komplettiert wurde das Teilnehmerfeld durch den VfB Leipzig, der als amtierender Titelhalter teilnahm.
Das Viertelfinale
Fürth bekam es in der ersten Runde mit der SpVgg Leipzig zu tun. In der am 3. Mai 1914 in Leipzig-Debrahof ausgetragenen Partie gingen die Gastgeber zunächst in der 36. Spielminute in Führung, ehe auf Fürther Seite Frigyes Weicz in der zweiten Spielhälfte ausglich (52.). Karl Franz war es, der sieben Minuten vor dem Ende der Partie den Fürther Siegtreffer erzielte (83.) und damit den Einzug ins Halbfinale für seine Mannschaft ebnete.
In den anderen Partien unterlag Königsberg dem Titelhalter VfB Leipzig mit 1:4, der Berliner BC setzte sich mit 4:0 gegen den FC Askania Forst durch und Duisburg gewann nach Verlängerung mit 4:1 gegen Altona.
Das Halbfinale
Zur Vorbereitung auf das Halbfinale, in welchem es die SpVgg Fürth mit dem Berliner BC zu tun bekommen sollte, trug man ein Testspiel gegen den englischen Klub Tottenham Hotspurs aus. Die Engländer schlugen tags zuvor noch Bayern München mit 6:0, gegen Fürth reichte es aber nur für ein 2:2-Unentschieden. Auf Fürther Seiten schien man also gut gerüstet für den Klub aus der Reichshauptstadt.
Bereits im Vorfeld des Aufeinandertreffens schien das Glück auf Fürther Seiten zu sein. Das Spiel sollte zunächst am Zabo, also auf dem “neutralen” Platz des Erzrivalens 1. FC Nürnberg, ausgetragen werden, doch aufgrund eines Reitturniers dort wurde das Spiel kurzfristig in den heimischen Fürther Ronhof verlegt. Ebenfalls glücklich schien der Umstand, das Berlin nach einer Beinfraktur eines seiner Spieler bereits nach zehn Minuten in Unterzahl geriet -auswechseln sah das damalige Reglement nicht vor- und Fürth damit einen Vorteil auf dem Feld zu verzeichnen hatte.
Doch trotz Heimvorteil und Überzahlspiel zog Fürth zunächst den Kürzeren, lag nach zwei Gegentreffern bis kurz vor dem Ende der ersten Spielhälfte mit 0:2 im Rückstand. Den Anschlusstreffer für Fürth erzielte Frigyes Weicz in der 44. Spielminute. Im zweiten Durchgang war es erneut der Ungar, der seine Mannschaft und die Fans mit seinem zweiten Treffer in der 62. Spielminute jubeln ließ. Am Ende stand es 2:2. Beide Mannschaften mussten nun in die Verlängerung und dies bedeutete seinerzeit zweimal 15 Minuten. Sofern sich auch danach kein Sieger finden würde, würde das Spiel in zehnminütigen Blöcken fortgeführt, bis eine Mannschaft ein Tor erzielte. Elfmeterschießen war noch nicht erfunden.
So wurde das Spiel also in der Hoffnung auf eine baldige Entscheidung nach der regulären Spielzeit fortgeführt. Karl Franz erzielte das 3:2 für Fürth in der 103. Spielminute. Die Verlängerung neigte sich dem Ende zu, der Jubel schien nur eine Frage der Zeit. Doch dann, eine Minute vor dem Ende der Verlängerung, glich Berlin aus (119.) und so wurde das Spiel erneut angepfiffen. Es muss eine harte Qual für die Spieler der damaligen Zeit gewesen sein, die den Fußball als Hobby und noch nicht als Profisport ansahen. Auch fehlten die physiologischen Mittel der heutigen Zeit, sich kurzfristig für derart lange Wegstrecken vorzubereiten. Am Ende zog sich das Spiel bis in die 146. Spielminute. Es war erneut Karl Franz, der für Fürth traf und damit den Einzug ins Endspiel sicherte.
In der zweiten Begegnung des Halbfinales setzte sich der VfB Leipzig mit 1:0 gegen die Duisburger SpV durch und stand damit als Endspielgegner fest.
Das Endspiel
Eine Woche vor dem Endspiel testete Fürth gegen Inter Mailand. Einige Stammkräfte wie Julius Hirsch, Georg Wunderlich oder Hans Schmidt fehlten auf Fürther Seiten und so verlor man gegen den prominenten Besuch aus Italien mit 2:3.
Im am 31. Mai 1914 in Magdeburg ausgetragenen Finale um die Deutsche Meisterschaft zwischen der SpVgg Fürth und dem VfB Leipzig konnte Trainer William Townley aber wieder auf alle Kräfte zurückgreifen und seine stärkste Elf ins Rennen schicken. Im Tor stand Hermann Polenski, vor ihm agierten Karl Burger, Georg Wellhöfer, Sebastian Seidel, Adolf Riebe, Hans Schmidt, Georg Wunderlich, Karl Franz, Frigyes Weicz, Julius Hirsch sowie Hans Jakob.
Abseits des Feldes wollten eigentlich rund 500 Fürther Anhänger die Reise aufnehmen und ihre Mannschaft in der Ferne unterstützen. Doch die in Nürnberg ansässige Reichsbahndirektion stellte keine Wagen zur Verfügung, so dass am Ende nur gut 100 Schlachtenbummler den Weg nach Magdeburg fanden und eine Minderheit unter den insgesamt rund 6000 Zuschauern darstellten.
Aber die, die im Stadion dabei sein konnten, sahen eine engagierte Fürther Mannschaft, die dem Titelhalter aus Sachsen auf Augenhöhe begegnete. Die in schwarz-blau gestreiften Trikots und schwarzen Hosen gekleideten Fürther mussten zunächst einen Sturmlauf der Leipziger überstehen.
Nach anfänglicher Hektik jedoch besann man sich auf die eigenen Stärken und den unter Trainer William Townley erlernten Fürth Flachpass und überwand damit die Leipziger Reihen. In der 17. Spielminute brachte Karl Franz Fürth in Führung. In Folge waren beide Mannschaften gleichwertig, es wurden auf beiden Seiten Tormöglichkeiten herausgespielt. Weitere Tore fielen zunächst aber nicht. Drei Minuten vor dem Seitenwechsel musste ein Leipziger Spieler verletzt vom Feld, Fürth spielte fortan in Überzahl.
Im zweiten Durchgang dann baute Leipzig erneut Druck auf, Hermann Polenski im Fürther Tor aber konnte mit mehreren Glanzparaden kurz nach Wiederanpfiff den Ausgleich verhindern. Im Gegenzug scheiterte Fürth ebenfalls nach mehreren Anläufen am gegnerichen Tormann. In der 83. Spielminute traf Leipzig aber doch ins Fürther Tor. Nach einem Freistoß hatte Hermann Polenski keine Abwehrmöglichkeit und musste den Ball aus dem Netz fischen. Weitere Treffer fielen nicht und wie schon im Halbfinale musste man erneut in die Verlängerung.
In den ersten Minuten der Verlängerung hatte Georg Wunderlich die erneute Fürther Führung auf dem Fuß, sein Schuss ging aber an die Latte. Auf der anderen Seite blieb ein Leipziger Spieler mehrere Minuten entkräftet auf dem Spielfeld liegen, so dass dem VfB damit schon zwei Spieler fehlten. Aus dem zwischenzeitlichen Vorteil zog Fürth jedoch keinen Nutzen.
Frigyes Weicz traf in der 104. Spielminute zum 2:1. Der VfB glich nur vier Minuten später erneut aus (108.), so dass sich während der Verlängerung kein Sieger fand und man wie schon im Halbfinale erneut eine weiterte Verlängerung bis zum Entscheidungstreffer über sich ergehen lassen musste.
In der 138. Spielminute musste Hans Schmidt auf Fürther Seiten mit Rot vom Feld, nachdem er einen Gegenspieler gefoult hatte. Fürth und Leipzig waren nun personell wieder im Gleichstand und führten das Spiel Zehn gegen Zehn fort. Insgesamt war Fürth dennoch im Vorteil, konnte mehr Angriffe für sich verbuchen und so scheint es nicht verwunderlich, dass man am Ende auch als Sieger vom Platz ging. Nach Zuspiel des angeschlagenen und humpelnden Frigyes Weicz kam erneut Karl Franz an den Ball und netzte ein. Der Entscheidungstreffer fiel in der 153. Spielminute.
Nach dem Erfolg nahmen die Spieler und der Trainer der SpVgg Fürth den Meisterpokal, die legendäre Viktoria, in Empfang. In Fürth verbreitete sich schnell die Kunde des Titelgewinns und am Folgetag wurde die Meistermannschaft am Bahnhof von tausenden jubelnden Fürthern in Empfang genommen und in blumengeschmückten Fahrzeugen in Richtung Geismannssaal gefahren, wo die Meisterfeier stattfand.
Sechs Jahre Titelhalter
Nach dem Titelgewinn blieb nicht viel Zeit, den Ruhm und das Erreichte lange zu genießen. Europa versank in den Wirren des 1. Weltkrieges und an einen geregelten Wettstreitbetrieb in den Fußballligen war nicht zu denken. Die Vereine, so auch die SpVgg Fürth, mussten zahlreiche Einberufungen ihrer Spieler kompensieren und traten in ihren Spielen auf regionaler Ebene oft mit ständig wechselnden Aufstellungen an. Eine gesamtdeutsche Meisterschaft wurde bis 1920 erst gar nicht ausgetragen, so dass der Titel ganze sechs Jahre in der Kleeblattstadt verblieb.
Nach dem Krieg im Jahre 1918 musste man in Fürth 144 gefallene Vereinsmitglieder beklagen, darunter zahlreiche aktive Fußballer und andere Sportler. Auch der Schütze des Siegtreffers des Meisterschaftsfinales von 1914, Karl Franz, war unter den Opfern.
Dennoch wagte man einen Neuanfang, trommelte ehemalige Spieler sowie einige neue zusammen und ging in der Spielzeit 1919/20, der ersten in welcher wieder um die Deutsche Fußball-Meisterschaft gespielt wurde, unter dem Trainer Hans Ruff als Titelverteidiger erneut ins Rennen und schrieb die Geschichte des Vereins fort.
In Folge sollte man noch drei Mal ein Endspiel um den Meistertitel erreichen und dabei den Titel zweimal gewinnen.